Rolf:
Ja denn das ist noch gar nicht so lange her. Schöne Dinge zu
entdecken, zu benutzen und sich Qualitäten bewusst zu machen, hat mir
schon immer Freude bereitet.
Aber gerade die Jahre nach 1989 waren so voller beruflicher
Herausforderungen, dass eigentlich nur noch Zeit für die Kinder und
Sport blieb.
Erst als die Jungs langsam ausflogen und wir das Haus für ein
Leben zu zweit noch einmal umbauten, entstanden Freiräume für neue
Gestaltungsideen.
In diese Zeit fällt auch die Entdeckung, dass ein frühes Aufstehen
für eine Fahrt zum Flohmarkt für uns ein schöner Wochenendausflug
sein kann.
Matthias:
Ich kenne Euch ja jetzt schon fast 10 Jahre. Was mir auffällt
ist, dass sich Eure Sammlung natürlich spezialisiert und entwickelt
hat, aber immer noch auch das Benutzen der Dinge einen hohen
Stellenwert zu haben scheint.
Rolf:
Da bin ich wohl einfach zu sehr Praktiker. Wir sammeln ja auch
nicht für Vitrinen und überhaupt wurde mir erst langsam bewusst, dass
wir sammeln. Der erste Antrieb war ja eher, Dinge vor dem Wegwerfen zu
bewahren. Mit der neuen Warenwelt nach 1989 waren ja viele neue
Produkterfahrungen verbunden. Was man hatte und kannte, lernten auch
wir erst mit genug Abstand schätzen.
Um sich nicht hoffnungslos vollzumölen, war der Nutzen im
Alltag zumindest am Anfang schon ein Kriterium.
Matthias:
Na, ich meinte vielleicht eher auch Euren lockeren Umgang mit den
Dingen. Ich erinnere, dass an den Festen in Eurem Haus auch seltenste
Geschirrteile immer benutzt wurden und Ludmila die Kinder zum Spielen
aufforderte, wo andere Sammler eher Handschuhe austeilen.
Rolf:
Klar. Dinge, die nicht benutzt werden, sind auch irgendwie
nutzlos. Natürlich kann auch eine Ausstellung nützlich sein, aber
gerade im alltäglichen Umgang bemerkt man doch erst die wirkliche
Qualität einer Sache.
Vieles, was uns am Anfang wunderbar und verführerisch vorkam,
interessiert mich heute nicht mehr, aber Dinge, die ich vor Jahren fast
übersehen hätte, haben durch unser Zusammenleben eine große
Bedeutung für mich bekommen.
So spürt man auch eine eigene Entwicklung und vielleicht ist auch
das schon ein Gewinn an sich.
Matthias:
Was mir immer an Euch aufgefallen ist, war der positive Umgang mit
dem Leben in der DDR. Hat Eurer Sammlungsschwerpunkt damit etwas zu
tun?
Rolf:
Das wäre zu einfach. Mit der DDR verbinde ich nicht nur schlechte Erinnerungen, denn es ist ein Teil meines Lebens. Ich bin ein Mensch, der immer versucht das Beste aus einer Situation zu machen und nicht alles, was Leben ausmacht, ist politisch geprägt. Andere oder gar ein System für persönliches Versagen verantwortlich zu machen, ist auch nicht meine Sache. Ohne 10 Jahre Abstand hätte ich vielleicht überhaupt nicht mein Interesse an einigen Aspekten des Ostens entdeckt. Bei uns fiel dieses erwachende Interesse viel eher mit einer gewissen Nachdenklichkeit über Ressourcenverbrauch und Nachhaltigkeit zusammen. Wir entdeckten Slowfood und Bio als Alternativen, wie wir uns an durchdachte und langlebige Produkte erinnerten, als wieder mal ein vermeintliches Schnäppchen an seiner Sollbruchstelle zerbrach. Durch die intensivere Beschäftigung erfuhren wir dann bruchstückweise von den spannenden Lebensleistungen Ihrer Schöpfer. Es ist übrigens spannend, dass nicht wenige der führenden Sammler und Kenner ostdeutscher Designgeschichte Ausländer sind. Durch den intensiven Austausch mit Sammlern wie dem Engländer Anthony Thompson haben wir erst ostdeutsches Glasdesign sehen und schätzen gelernt. Ein anderer Aspekt sind natürlich Kindheitserinnerungen. Die sind überall auf der Welt Antrieb von Sammeln und Bewahren. Mein Moped ist sicher auch ein etwas verspätet realisierter Jugendtraum.
Matthias:
Lass uns nochmal etwas konkreter auf Eure Sammlung eingehen.Was
auffällt, ist der Schwerpunkt Renate Müller, Wilhelm Wagenfeld und
Bauhaus.
Daneben erinnere ich ein Fest mit weit über 100 Tabletts aus
Wasungen, die wie ein Teppich im Garten ausgebreitet waren oder eine
umfangreiche Spielzeugsammlung.
Wo liegt aktuell Dein größtes Interesse?
Rolf:
Sammlungsschwerpunkte haben wir eigentlich nie geplant. Man
entdeckt etwas und findet mehr davon. Dann recherchiert man und
tauscht sich mit Freunden aus. Man beobachtet die Dinge im Alltag und
spürt unterschiedlich starke Energie. Irgendwann inspiriert die eigene
Sammlung wo Schwerpunkte entstehen.
Wir sind da eher intuitiv.
So verfeinert sich die Sammlung langsam und mancher frühere Fund
verliert an Bedeutung. Aber wie schon gesagt, dadurch spürt man, dass
die eigene Kritikfähigkeit sich entwickelt hat, was ich an sich schon
als einen Gewinn beim Sammeln sehe.
In letzter Zeit wird es natürlich immer schwerer noch "lohnende"
Ziele zu entdecken. Trotz Lager macht auch unser zunehmender
Platzmangel zwangsläufig wählerischer. Ein seltenes Dekor auf einem
"Mitropakännchen", etwas aus dem Bereich der
Kindergartenausstattungen der 50iger, Tiere von Renate Müller oder
Bauhausentwürfe lassen uns natürlich immer noch "schwach
werden".
In letzter Zeit schaue ich gerne nach AKA electric - Teilen. Es gibt sie noch originalverpackt und ungebraucht.
Matthias:
Da mir das Sammeln und Jagen ja auch nicht ganz fremd ist, kenne
ich natürlich auch das Gefühl des Neides unter Sammlern.
Ich beneide Euch natürlich auch um manches schöne Stück aber
besonders dein Carl Zeiss Schulfernrohr im Schlafzimmer hätte ich
auch gern.
Um was beneidest Du andere Sammler?
Rolf:
Neid als Antrieb ist mir zwar nicht fremd, aber eigentlich immer
eher Anregung, mich selbst mehr anzustrengen und besser zu recherchieren. Ich bin da Optimist und denke immer nichts ist unmöglich. Wenn ich
natürlich bei Günter Höhne zu Gast war, gab es schon das Eine oder
Andere aber manch seltenen Gegenstand haben wir gerade dorthin
geschenkt, weil wir mit unserer Sammlung auch eine
gesellschaftspolitische Idee verbinden. Dass seine Sammlung jetzt in
München zur ständigen Ausstellung aufbereitet wird, empfinden auch
wir als historische Anerkennung unserer Sammlungsschwerpunkte .
Matthias:
Mir ist das klar und ich erlebe ja seit Jahren euer ehrenamtliches
Engagement für Design. Wie würdest Du die politische Idee dahinter
formulieren?
Rolf:
Ich bin ja Techniker und schon von berufs wegen eher
Fortschrittsoptimist.
Trotzdem sehe ich den Verlust kritisch, den eine Gesellschaft
hinnehmen muss, wenn sie die Leistungen einer ganzen Generation
ignoriert.
Deutschland hat die große Chance zu analysieren, wie unter zwei
verschiedenen Gesellschaftssystemen, sich die Dinge von einer
gemeinsamen Geschichte entwickelt haben. Gerade im Designbereich eine
einmalige Situation.
Treuhandpolitik und Siegermentalität haben diesen Blick getrübt,
aber noch ist es nicht zu spät. Das internationale Interesse an
diesem Thema sollte uns klar machen, was für Schätze
Gesamtdeutschland da noch entdecken kann.
Dass die Sammlung Höhne jetzt ihren Platz in der Pinakothek der
Moderne in München bekommt, ist da ein guter Anfang.
Vielleicht haben ja ein paar Ideen des Bauhauses im Osten sich
viel besser weiter entwickelt, als uns heute bewusst ist. Natürlich
haben sich mit den Plattenbauten auch einige Ideen nirgends so
pervertiert.
Man muss genau hinsehen und Qualitäten entdecken.
Die Idee, dass Dinge so gebaut werden sollten, dass sie für immer
halten und reparierbar sind, scheint mir heute äußerst zeitgemäß und nachhaltig.
Matthias:
Zum Abschluss noch die Frage nach einer besonderen Jagdgeschichte
und einem Lieblingsstück.
Rolf:
Geschichten gibt es da viele. Manchmal mag man gar nicht glauben,
dass wenige Sekunden darüber entschieden haben, ob ein seltenes Stück
uns gehört im Morgengrauen auf einem Flohmarkt in Leipzig oder
Halle.
Aber die schönsten Momente waren doch die privaten Kontakte zu
Designern. In der Werkstatt mit Renate Müller zu sprechen oder
Helleraumöbel mit Hilfe von Wolfgang Dyrhoff zu retten, waren schon
besondere Erlebnisse.
Heute fahren wir auch gern zu Ausstellungen oder Architekturikonen
und freuen uns an rein sinnlicher "Beute", denn eine Sammlung
bedeutet ja auch Verantwortung.
So bindet die Aufarbeitung und Katalogisierung der vorhanden
Gegenstände schon heute viel Energie und wir wollen nicht sinnlos
Dinge anhäufen.
Matthias:
Vielen Dank Rolf für den kleinen Einblick in Euer Hobby. Besonders
freut mich natürlich, dass nicht wenige Dinge in Deiner Sammlung auch
bei Formost gekauft wurden und heute schon Sammlerwert besitzen. Dir
und Ludmila noch viel Freude und Erkenntnisse mit Eurer
Sammelleidenschaft.